Die Kinder die zu uns kommen, haben bislang nur gelernt zu überleben. Hier sollen sie endlich lernen zu leben.

Mitarbeiter des casa do zezinho

Dagmar Garroux wusste genau was sie tat, als sie im Jahr 1993 damit begonnen hatte, ihr Lebenswerk aufzubauen. Sie nannte es Casa do Zezinho.

Die brasilianische Pädagogin errichtete ihr Projekt am Rande des „Parque Santo Antônio“. Einem Viertel São Paulos, in dem die Arbeitslosigkeit bei fast 100 Prozent liegt. Einem Viertel, in dem sich oft mehr als zehn Menschen eine Baracke von 40 Quadratmetern teilen. Einem Viertel, in dem im Schnitt drei Menschen am Tag ermordet werden. Glück sieht anders aus.

Glück finden die Kinder des „Parque Santo Antônio“ in dem Casa do  Zezinho. Das Projekt, das mit „Haus des kleinen Josef“ übersetzt werden könnte, soll den Kindern vor allem Bildung vermitteln. Lehrwerkstätten für Bäckerei, Schneiderei und Papierrecycling, Kurse in Englisch und Informatik sowie die Ausbildung in einem Schönheitssalon und einem Tonstudio bereiten sie auf ein selbstbestimmtes Leben vor.

Aussenansicht des casa do zezinho

Das Ziel des Casa do Zezinho (CdZ) ist Hilfe zur Selbsthilfe: Das Projekt schafft Bedingungen, die es den Kindern und Jugendlichen aus ärmsten Verhältnissen ermöglichen, ein eigenständiges Denken und Handeln zu entwickeln und so ihren eigenen Weg überhaupt erst bestimmen zu können. Die Vorbereitung auf die Zukunft und die Berufsausbildung sind die zentralen Stützen der Projektarbeit. Die meist schlechte oder nicht abgeschlossene Schulausbildung sowie die erschwerende Herkunft aus der Favela stellen große Hindernisse dar, welche den Jugendlichen praktisch jede Chance auf eine ehrliche und adäquat bezahlte Arbeit verbauen.

Kinder des casa beim spielen.

Alle Kinder, welche die Betreuung des Casa do Zezinho in Anspruch nehmen möchten, müssen parallel eine öffentliche Schule besuchen. Die Kinder kommen entweder vor oder nach dem  Unterricht zur Betreuung in das CdZ. Auch die gemeinwesenorientierte Arbeit, vor allem die Einbindung der Eltern, ist wichtig. Das Casa do Zezinho konnte schon über 300 Familienangehörigen eine Arbeitsstelle vermitteln. Etwa 80 der älteren Jugendlichen fanden dank des Casa eine feste Anstellung.

Auf nationaler Ebene ist das Projekt Casa do Zezinho als sozialpädagogisches Modellprojekt anerkannt. Auf vielen nationalen und internationalen Kongressen hat sich das Casa do Zezinho inzwischen vorgestellt. Das Projekt ist von der UNESCO als förderungswürdig eingestuft worden und wird ideell unterstützt. Im Zentrum der Pädagogik steht die Entwicklung eines selbständigen, kritischen Denkens bei den Jugendlichen, die sich auf vier Säulen stützt: Sein (Spiritualität), Erforschen (Wissenschaft), Erkenntnis (Philosophie) und Kreativität (Kunst). Darüber hinaus legen Dagmar Garroux und die Pädagogen des Casa do Zezinho größten Wert darauf, die Kinder in allen Bereichen ihres sozialen Netzes zu unterstützen: Schule, Familie, Zuhause, Gemeinde, Gesundheit, Gesetze, bürgerliche Rechte und Pflichten.

Die Gründerin des Casa: Tia Dag

Das Casa do Zezinho bemüht sich, fortlaufend neue Entwicklungen in seine Pädagogik einzubeziehen. Ethik, Gesundheitserziehung, Familienplanung und Ernährungsunterricht werden in dem Projekt berücksichtigt. 40 Erzieher in verschiedenen Bereichen sind verantwortlich für die Qualität des Erziehungsangebotes für die Kinder.

Auch die künstlerischen Fähigkeiten der „Zezinhos“ werden im Casa do Zezinho gefördert: Hierfür wurden Werkstätten für Bildende Kunst, Keramik, Mosaik, Blumenarrangements oder Holzschnitte eingerichtet. Die erstellten Werke werden regelmäßig  in Ausstellungen im gesamten Stadtgebiet präsentiert und auch verkauft. Um die Kinder auch körperlich fit zu halten gibt es Kurse im Schwimmen, Leichtathletik, Fußball, Volleyball, Basketball und  Capoeira.

Unterricht in der gastronomie

Am Wochenende steht das Kulturelle im Vordergrund: Das Casa do Zezinho veranstaltet Musikshows oder Theaterstücke, zeigt Filme oder organisiert Ausflüge in die Innenstadt São Paulos.

Bei einer Warteliste von etwa 2000 Kindern musste sich das Team etwas einfallen lassen. So entstand ein wöchentliches  Angebot für die Wartenden: die freien Ateliers. Hier können sich auch Jugendliche zwischen 16 und 21 Jahren betätigen, die nicht mehr im Kinderhaus betreut werden. Folgende Kurse wurden eingerichtet: Englisch, Theater, Friseur, Bäckerei, Mosaik, Recycling, Volleyball, Handball, Capoeira und Hip-Hop.

Casa do Zezinho im Internet:
www.casadozezinho.org.br
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